Value-Kolumne

Die Börse – Ein Casino ohne Null?

Kolumnist -

Bewertungen am Aktienmarkt laufen manchmal aus dem Ruder. So twitterte Scott McNealy, der von 1984 bis 2006 Vorstandsvorsitzende von Sun Microsystems war, im Jahr 2002: „Vor 2 Jahren haben wir zu einem 10-fachen Umsatz verkauft, als wir bei 64 Dollar lagen. Bei einem 10-fachen Umsatz muss ich Ihnen jedes Jahr 100 Prozent des Umsatzes als Dividenden zahlen, um Ihnen eine Rückzahlung über 10 Jahre hinweg zu gewährleisten. ... Das setzt Nullkosten voraus, was mit 39.000 Mitarbeitern wirklich schwierig ist. … Und das setzt voraus, dass ich in den nächsten 10 Jahren keine Forschungs- und Entwicklungskosten habe, um den aktuellen Umsatz beizubehalten. … Ist Ihnen bewusst, wie lächerlich diese grundlegenden Annahmen sind.“ Und heute? NVIDIA wird zurzeit mit dem 30-fachen seines Umsatzes bewertet. Am Ende könnte es NVIDIA aber so ergehen, wie Cisco in den Nuller Jahren.

Gibt es unendliches Wachstum? Nein!

Cisco war vor 25 Jahren die wertvollste Firma der Welt und wurde ähnlich wie NVIDIA heute bewertet. Cisco war zu dieser Zeit führend im Bereich des boomenden Marktes der Internet-Infrastruktur und Netzwerktechnologie. Das Unternehmen war bekannt für seine hochwertigen Produkte und Lösungen, die von vielen großen Unternehmen und Internetdienstanbietern eingesetzt wurden. Daraus folgerten Anleger: „Cisco, das steht für unendliches Wachstum“

Der Wettbewerb in der Technologiebranche wurde aber intensiver, da neue Unternehmen auf den Markt drängten und etablierte Unternehmen wie Cisco herausforderten. Dies führte zu einem Druck auf die Margen und erschwerte es Cisco, die Ertragserwartungen zu erfüllen.

Cisco ist auch heute noch eine tolle Firma, hat aber keine Alleinstellungsmerkmale mehr, die das Unternehmen oder das Produkt vom Wettbewerb abhebt. Anleger, die im Boom zu Kursen von über 60 US-Dollar im Jahr 2000 investiert haben, warten bis heute – trotz guter Kursentwicklung in den letzten 10 Jahren – auf ihre Einstandskurse.

Natürlich macht es Spaß und es ist auch erfolgreich in Trend-Aktien wie NVIDIIA zu investieren. Und für diejenigen, die die Börse als ein Casino ohne Null ansehen, gilt natürlich „The trend is your friend“. Mit dieser Einstellung und mit Stopp-Loss-Kursen macht es auch Sinn in diesen Aktien zu spekulieren.

Unsere Prämisse: Investieren, nicht spekulieren

Wir verfolgen aber einen anderen Ansatz. Die ursprüngliche Idee der Investition war eine lukrative Geschäftsidee mit Fremd- oder Eigenkapital zu unterstützen. Diese Kapitalzufuhr wurde dokumentiert, oder wie man heute sagt, verbrieft. Und dies hat eine lange Tradition. Im Gasthof der Familie Van der Beurse in Brügge kamen im 13. Jahrhundert viele Eigentümer von solchen Dokumenten zusammen und so entstand die Idee, diese untereinander zu handeln. Damit änderte sich aber auch die Bewertung dieser Papiere. Der Wert des Anteils- oder Schuldscheins stand im Vordergrund und nicht mehr der der ursprünglichen Investition.

Utopische Bewertungen

Und so erklärt sich auch heute der Wert von NVIDIA, oder damals die Bewertung von Cisco. Netzwerktechnologie war 1999 und die Halbleiter-Herstellung ist heute ein knappes Gut. Viele Anleger möchten daran partizipieren und kämpfen um den Anteilsbesitz an diesen Papieren, losgelöst von den wirklichen Ertragsperspektiven. Dabei werden oft irrwitzige Summen gezahlt.

Das macht für uns aber wenig Sinn und kommt für unseren Contrarian Value Euroland Fonds nicht in Frage. Wir spekulieren nicht, wir investieren. Bei unserem seit mehr als 25 Jahren bewährten Investmentansatz suchen wir nach unterbewerteten Firmen mit nachvollziehbarem Geschäftspotential. Dabei investieren wir wie ein Unternehmer, der nach Chancen sucht, auch wenn er damit gegen die herrschende Marktströmung schwimmt. Damit erzielen wir langfristig eine überdurchschnittliche Performance für unsere Anleger.

NVIDIA hat derzeit ein KGV von über 70. Hier ist uns das Risiko für ein Investment einfach viel zu hoch. Das ist aus unserer Sicht heraus eine ähnlich utopische Bewertung wie damals bei Cisco. Mit einem durchschnittlichen KGV von rund 6,5 im Contrarian Value Fonds leben unsere Investoren viel ruhiger. Den puren Nervenkitzel überlassen wir anderen.

Der Autor: Hans Peter Schupp, Vorstand der Fidecum AG und Portfoliomanager des Contrarian Value Euroland Fonds.

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